Langzeitstillen weltweit: Ein umfassender Überblick
In der Diskussion um das Stillen wird oft der Begriff „Langzeitstillen“ verwendet, wenn Mütter ihre Kinder über das übliche Alter hinaus stillen. In Deutschland wird die durchschnittliche Stillzeit auf etwa 8 Monate geschätzt (Brettschneider et al., 2018). Besonders in angelsächsischen Ländern wie Großbritannien, den USA und Australien ist die Stillzeit tendenziell noch kürzer.
Definition von Langzeitstillen
Die Definition, ab wann man von Langzeitstillen spricht, variiert stark. Laut einer Umfrage unter 491 Müttern in Deutschland wird Langzeitstillen häufig ab einem Alter von 15 Monaten (Median: 12 Monate) betrachtet (Koch, 2008). In der Fachliteratur wird oft bereits ab dem ersten oder zweiten Geburtstag von Langzeitstillen gesprochen, während die amerikanische Anthropologin Katherine A. Dettwyler es erst ab dem dritten Geburtstag definiert. Sie sieht eine Stilldauer von 2,5 bis 7 Jahren als physiologisch normal für Menschenkinder an.
Historische Perspektiven
In Jäger- und Sammlergesellschaften lag das typische Abstillalter zwischen dem 2. und 4. Geburtstag, wobei das Abstillen oft mit der Geburt des nächsten Kindes zusammenfiel. Bei agrikulturellen Gesellschaften verkürzte sich die Abstillzeit in der Regel auf etwa 2 Jahre (Hewlett, 2017). Studien zeigen, dass in vorindustriellen Gesellschaften das Abstillalter zwischen 1 und 5,5 Jahren variierte, mit einem Schwerpunkt um 2,5 Jahren (Selen, 2001).
Stillstatistiken in Deutschland
Eine repräsentative Studie in Deutschland ergab, dass 16% der Kinder länger als 12 Monate gestillt werden (Brettschneider et al., 2018). Für die Stillraten über 2 bis 3 Jahre sind jedoch keine verlässlichen Daten verfügbar. Es ist bemerkenswert, dass viele Frauen, die länger stillen, oft nicht berichten, dass sie dies tun, aus Angst vor Stigmatisierung oder Druck zum Abstillen (Sinnott, 2010).
Internationale Vergleiche
Die Stillquoten in verschiedenen Ländern weisen erhebliche Unterschiede auf. In Europa werden beispielsweise zwischen 35% und 65% der Säuglinge im Alter von 6 Monaten gestillt, wobei 13% bis 39% ausschließlich gestillt werden. Deutschland hat, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, eine der niedrigeren Stillquoten (Bundesgesundheitsblatt, 2018).
Herausforderungen beim Stillen
Obwohl das Stillen zahlreiche Vorteile für die Gesundheit von Mutter und Kind bietet, kämpfen viele Frauen mit der Laktation. Schätzungen zufolge gelingt es 5% bis 10% der Frauen weltweit aus physiologischen Gründen nicht zu stillen, während viele andere angeben, nicht genügend Milch zu haben. Diese Herausforderungen sind oft nicht ausreichend untersucht, und die Unterstützung für betroffene Frauen ist eher begrenzt.
Einflussfaktoren auf die Milchproduktion
Die Milchproduktion ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Dazu gehören:
- Hormone: Ein Ungleichgewicht kann die Laktation stark beeinträchtigen.
- Ernährung: Sowohl Übergewicht als auch Mangelernährung können einen negativen Einfluss auf die Milchproduktion haben.
- Stress: Chronischer Stress kann die Energie, die der Körper für die Milchproduktion benötigt, erheblich reduzieren.
- Medizinische Bedingungen: Erkrankungen wie das polyzystische Ovarialsyndrom oder Schilddrüsenerkrankungen können die Hormone beeinflussen.
Forschung und Zukunft des Stillens
In den letzten Jahren hat sich das Forschungsinteresse an den biologischen und sozialen Faktoren, die das Stillen beeinflussen, erhöht. Wissenschaftler erkunden genetische und umweltbedingte Einflüsse, um den Müttern künftig besser helfen zu können. Eine umfassende Aufklärung über das Stillen könnte viele der bestehenden Probleme verringern. Die Bill and Melinda Gates Foundation hat kürzlich die Gründung des International Milk Composition Consortium gefördert, das darauf abzielt, den Nährwert von Muttermilch zu steigern.
Stillförderung in Deutschland
Die Nationale Stillkommission hat in Deutschland ein Konzept für ein nationales Stillmonitoring veröffentlicht, um das Stillverhalten systematisch zu erfassen und zu fördern. Es ist notwendig, die Erhebungsmethoden zu standardisieren, um realistische Vergleiche und eine effektive Stillförderung zu ermöglichen.
Für weitere Informationen über Stillstatistiken und die Herausforderungen, die viele Mütter erleben, empfehlen wir den Artikel über 23. Schwangerschaftswoche: Das Wichtigste für werdende Mütter.
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